Die Truman-Tür…
oder, du entdeckst den Ausgang des scheinbar perfekten Filmsets.
Jetzt hast du sicher den Film Die Truman Show vor Augen, in dem Hauptfigur Truman Burbank eines Tages bemerkt, dass sein ganzes Leben nur eine gigantische Fernsehkulisse ist. Überall Scheinwerfer, Komparsen und sorgfältig inszenierte Szenen. Und Truman selbst? Er ist der unwissende Protagonist der Show.
Jetzt stell dir mal vor: Wie Truman sitzt du morgens beim Kaffee, schlürfst dein Lieblingsgetränk und plötzlich fühlst du dich… merkwürdig. Eigentlich ist alles wie immer: Dein Wecker hat geklingelt, die Sonne scheint (oder es regnet, je nachdem), du bist auf dem Weg zur Arbeit oder checkst schnell deine Social-Media-Accounts. Dir ist vielleicht kein Scheinwerfer vor die Füsse gefallen, doch irgendetwas in dir schreit: „Stopp! Da stimmt doch was nicht!“
Ich glaube, das ist ein Gefühl, das sich nicht in Worte fassen lässt, aber hartnäckig bleibt. So wie eine juckende Stelle am Rücken, die man ums Verrecken nicht kratzen kann, weil man mit dem Arm einfach nicht hinkommt. Oder wie ein Ohrwurm, der sich in deinem Kopf festsetzt, ohne dass du weißt, wo du ihn aufgeschnappt hast.
Wir Menschen sind anpassungsfähig und zwar extrem. Wir alle werden ja in eine Welt geboren, die es schon vor uns gab. Ein vorgeformtes System mit Regeln, Normen und Erwartungen. Ob Schule, Arbeit, Politik oder Medien, wir wachsen hinein und machen schön brav mit. Schließlich brauchen wir Sicherheit, Zugehörigkeit, ein Dach überm Kopf und genügend Essen im Kühlschrank. Wer will da schon unangenehm auffallen und das liebevoll errichtete Ordnungshäuschen ins Wanken bringen?
Solange wir uns dabei einigermaßen wohlfühlen und sich das Ganze plausibel anfühlt, machen wir mit. Wir übernehmen die Normen, die uns vorgelebt werden, finden sie normal, weil wir keinen Vergleich haben. War ja schon immer so. Doch in manchem von uns erwacht irgendwann so ein „Radar“, der meldet: „Moment mal, hier piept was auf der Frequenz der Ungereimtheiten.“ Dieses kleine, innere Stimmchen verkündet: „Vielleicht ist da draußen mehr als das, was man dir erzählt hat.“
Meist kommt genau dann der Moment, wo man über Dinge stolpert, die unsere erste Ahnung bestätigen: „Ja, hier läuft tatsächlich was unrund.“
Man merkt plötzlich dass es scheinbar Menschen gibt, die im Hintergrund die Strippen ziehen (nennen wir sie liebevoll „System-Baukünstler“) und nach ganz anderen Regeln spielen. Freiheit wird oft lautstark propagiert, aber wenn du offen deine eigene Sicht teilst, läufst du gelegentlich gegen eine unsichtbare Wand der Zensur oder du bist ein Schwurbler.
Das große Räderwerk der Gesellschaft lässt dir nur so viel Raum, dass du zwar leben, dich aber nicht immer frei entfalten kannst. Und so kommt es, dass man sich fragt, ob man vielleicht in einer riesigen Truman Show gefangen ist. In einer Welt, die nur so tut, als wäre sie echt, während hinter den Kulissen ganz andere Dinge laufen.
Wenn das Herz lauter spricht als das Hirn
Dieses innere Stimmchen, was sich da meldet, ist wie eine vergessene App, die plötzlich wieder aufploppt und dir Push-Nachrichten schickt: „Hallooo! Denk doch noch mal darüber nach!“ Manchmal fühlt man sich deswegen seltsam zerrissen. Einerseits will man weiter funktionieren (ja, Miete muss ja auch bezahlt werden), andererseits wünscht man sich ein Leben, in dem man sein wahres Ich ausleben darf. Irgendwann wird’s dann wirklich brisant: Dein Gefühl sagt, deine Rolle in der Gesellschaft passt überhaupt nicht mehr zu deinem inneren Kern. Du fühlst dich wie ein Schauspieler, der pausenlos ein Stück aufführt, ohne jemals die Maske abnehmen zu können. Dann klopft der Burnout freundlich an die Tür, oder eine tiefe Unzufriedenheit macht sich breit. Genau an diesem Punkt (ent)scheiden sich die Geister. Entweder alles verdrängen? Oder aufwachen?
Was bedeutet „aufwachen“ eigentlich?
Glaubt man den alten Weisheiten, steckt in jedem von uns etwas Göttliches, Einzigartiges. Und genau das unterscheidet dich von einem x-beliebigen Zahnrädchen im Systemgetriebe. Statt dich also weiter wie ein Massenprodukt zu fühlen, könntest du beschließen: „Ich bin individuell, und genau diese Individualität werde ich kultivieren!“ Ja okay, das klingt zunächst pathosgeladen und spirituell. Aber praktisch bedeutet es: Du hörst wieder auf deine innere Stimme. Du wagst, du selbst zu sein. Du hinterfragst die ungeschriebenen Regeln, die dich bislang fest im Griff hatten. Du legst an manchen Stellen den Finger in die Wunde und stellst öffentlich (oder erstmal privat) die Fragen: „Muss ich das wirklich so machen? Oder gibt es auch andere Wege?“
Viele tun das erst sehr spät im Leben, vielleicht, wenn die gesundheitlichen oder seelischen Alarmsignale einfach nicht mehr zu überhören sind. Aber warum nicht einfach jetzt anfangen, dann muss es gar nicht erst so weit kommen?
Wie in aller Welt kommen wir zu dieser Tür?
Manch einer stellt sich den Ausstieg vor wie den großen, dramatischen Sprung aus dem Käfig. Eine plötzliche Erleuchtung. Doch in Wahrheit sieht man von außen oft gar nicht, dass du im Inneren schon längst einen Quantensprung hingelegt hast.
Die Zen Bhuddisten sagen: „Vor der Erleuchtung Holz hacken und Wasser tragen. Nach der Erleuchtung Holz hacken und Wasser tragen.“
Von außen betrachtet hat sich also mal nichts verändert. Aber innerlich ist alles anders. Plötzlich leben wir selbstbestimmter, auch wenn wir äußerlich nach wie vor unseren Alltag bewältigen. Für die Welt bist du immer noch die Person, die ihren Kaffee trinkt und ihre Arbeit macht, aber für dich selbst hat sich das Gefühl von Gefangensein in ein neues Bewusstsein verwandelt.
Ein letzter Schluck Kaffee, bevor es Richtung Truman Tür geht…
Vielleicht bist du mitten in diesem Prozess. Vielleicht hast du schon längst kapiert, dass irgendwas zum Himmel stinkt, sprich, in unserem vorgegebenen System. Oder vielleicht entdeckst du gerade zum ersten Mal dieses seltsame Ziehen im Bauch. Was immer es ist, lass dich nicht beirren. Ein gewisses Maß an Verrücktheit und ein gesunder Humor helfen extrem. Als würdest du die Welt gelegentlich wie einen gigantischen Jahrmarkt betrachten, wo manche Buden eben geschönt sind, man aber hinter den Kulissen den Pappmaché-Himmel erkennt.
Zugegeben, es braucht Mut und Durchhaltevermögen, um seinen eigenen Weg zu gehen. Aber die gute Nachricht ist: Du bist nicht allein. Es gibt sehr viele Menschen, denen es ganz ähnlich geht. Und wenn du dich traust, dein komisches Gefühl ernst zu nehmen, führt das vielleicht zu der erfrischenden Erkenntnis, dass das Leben viel mehr ist als die große, scheinbar unerschütterliche Show da draußen.
Die Truman Tür als Metapher die Bühne zu verlassen und die Welt dahinter zu erkunden
Es stellt dein Leben als Show dar (hat ja durchaus was Komisches). Du kannst deine Situation mit den Kunstwelten vergleichen, die uns ständig präsentiert werden, sei es Social Media oder politische Inszenierungen. Sobald du die „Tür“ durchschreitest, hast du das befreiende Gefühl, „die Show“ endgültig verlassen zu können, selbst wenn du im Alltag vordergründig noch deinen Job, deine Pflichten und deine Routinen hast.
Was passiert hinter der Truman-Tür?
Du siehst Dinge anders, hinterfragst sie. Du gewinnst jede Menge Humor-Potenzial, wenn du anderen dabei zuschaust, wie sie weiter an die Kunstwelt glauben. Du schmunzelst vielleicht über Werbeslogans, „offizielle“ Wahrheiten oder politische Dramen, weil du weißt, es sind oft nur Kulissen.
In diesem Sinne: Cheers auf ein inneres Erwachen, das dich eines Tages mit einem verschmitzten Lächeln in den Spiegel blicken lässt, weil du weißt, du spielst zwar das Spiel, aber gehörst nicht mehr ganz zu ihm. Klingt paradox? Ist es wahrscheinlich auch. Aber gerade das macht doch den Reiz aus, oder? Und vergiss nicht, Neugier ist die stille Kraft, die aus jeder Unsicherheit ein spannendes Abenteuer macht.
copyright: Michèle Schons - © heartbreathing 2021