Wut im Bauch? Warum ein Kissen manchmal die beste Lösung ist


Stell dir vor, in deinem Inneren lebt ein kleiner, aber ziemlich angriffslustiger Vulkan. Meist glimmt er nur leise vor sich hin, doch manchmal, wenn dein Stresspegel steigt oder deine Nerven blank liegen, fängt er plötzlich an zu brodeln wie eine kochende Suppe auf dem Herd. Kaum läuft etwas schief (zum Beispiel, weil dir jemand die letzte Parklücke weggeschnappt hat oder dein Nachbar seit sechs Uhr morgens fröhlich Wände durchbohrt), schießt dir ein hitziges „So nicht!“ durch den Körper. Dein Herz klopft schneller, deine Stirn zieht sich zusammen, und du spürst, wie ein innerer Feuerschwall in dir hochkocht wie in einem Dampfkessel, der jeden Moment hochgehen will. Und schon ist sie da: die Wut.


Wut hat seit jeher einen etwas verruchten Ruf. Sie gilt als laut, ungestüm und kaum zu bändigen. Doch wenn du genauer hinsiehst, erkennst du, dass sie gar nicht nur negativ ist. Sie ist ein starkes Warnsignal deines Körpers, das dir sagt - Hey, hier stimmt gerade etwas gar nicht für mich! Sie kann dich motivieren, dich zu wehren und für deine Bedürfnisse einzustehen, anstatt alles schlucken zu müssen. Mit einer gesunden Portion Wut kannst du deine Grenzen setzen und für dich selbst einstehen. Manchmal braucht es genau diesen kleinen Anstoß, damit du endlich handelst.


Problematisch wird es, wenn du deinen inneren Vulkan entweder völlig zubetonierst oder ihn ohne jeden Filter Lava spucken lässt. Entweder schluckst du deine Wut herunter, weil du niemanden verletzen oder anecken willst. Nach außen wirkst du cool und entspannt, doch in dir tobt ein wilder Orkan. Oder du tickst schon bei der kleinsten Kleinigkeit aus und machst in Sekundenbruchteilen aus einer Mücke einen brüllenden Drachen. In beiden Fällen kann Wut zerstörerische Folgen haben: Entweder frisst sie sich nach innen und drückt dir aufs Gemüt, oder sie reißt deine Mitmenschen mit in den Abgrund.


Der Schlüssel ist, deine Wut erst mal als das zu akzeptieren, was sie ist: ein Gefühl, das dir sagen will, dass es Handlungsbedarf gibt. Bevor du also laut rumschreist oder dich selbst verkriechst, drück die mentale Pause-Taste. Atme tief durch, ja, so richtig bis in den Bauch hinein. Spüre, wie dein Herz klopft, wie es in deinen Schläfen pocht oder deine Muskeln sich anspannen. Allein dieses kurze Innehalten gibt dir Zeit, zu entscheiden, wie du damit umgehen willst.


Und genau hier kommt das Kissen ins Spiel. Vielleicht klingt es albern, doch ein Kissen ist ein fantastischer Wut-Auffangbehälter. Du kannst es anschreien, darauf einschlagen oder es in die Ecke feuern, das Kissen nimmt dir nichts übel. Anders als ein unbeteiligter Kollege oder ein argloser Mitbewohner wird es dir später keine Vorwürfe machen. Wenn du deiner Wut so ein Ventil gibst, kannst du sie kontrolliert rauslassen, ohne gleich alles niederzumähen, was dir im Weg steht. Anschließend fühlst du dich oft erleichtert und wieder klarer im Kopf.


Du bist aber nicht unbedingt der Typ, der laut schreien oder prügeln will? Dann gibt es noch jede Menge Alternativen: Mach ein intensives Workout, geh spazieren, male ein wütendes Bild in feurigen Farben oder schreib deine Wut in ein Tagebuch, als wären es Funken, die du auf Papier versprühst. Vielleicht hast du ein kreatives Talent, von dem du noch gar nichts wusstest. In jedem Fall lenkst du deine Energie so in sinnvolle Bahnen, anstatt sie unkontrolliert auszuleben.


Denn Wut ist im Grunde nur eine Energieform. Sie ist kein Feind, sondern eher ein Hinweis, dass etwas in deinem Leben nicht richtig läuft. Wenn du lernst, diese Energie bewusst zu lenken, kannst du von ihr profitieren. Du wirst spüren, wie viel stärker und souveräner du wirst, wenn du dich nicht länger von deiner Wut überwältigen lässt, sondern sie in konstruktive Aktionen umwandelst. Und ganz nebenbei schaffst du es, deine Beziehungen entspannter zu gestalten: Menschen merken schnell, ob du in der Lage bist, deine Wut zu regulieren oder ob du wie ein Pulverfass auf jede Kleinigkeit reagierst.


Am Ende geht es nicht darum, möglichst wutfrei zu leben oder jede negative Emotion zu unterdrücken. Gefühle gehören zu dir, sie machen dich menschlich. Es ist aber wichtig, dass du nicht zum Spielball deiner Emotionen wirst. Eine bewusste Auseinandersetzung mit deiner Wut kann dir dabei helfen, dich selbst besser zu verstehen: Wo liegen deine Grenzen, was macht dich verletzlich, was kannst du dir zumuten und wo musst du ganz klar „Nein!“ sagen?


Also: Wenn dir das nächste Mal der Vulkan im Bauch hochgeht, atme durch, gib dir einen Moment, um das Geschehen zu sortieren und wenn’s gar nicht mehr anders geht, schnapp dir dein Lieblingskissen. Du wirst überrascht sein, wie befreiend es sich anfühlt, deiner Wut Raum zu geben, ohne jemanden zu verletzen oder dich selbst zu zerfleischen. Danach kannst du dich wieder den wichtigen Dingen zuwenden, klarer in deinem Kopf und ein Stückchen reifer in deinem Herzen. Dein innerer Vulkan darf ruhig weiter glimmen, solange du weißt, wie du mit ihm umgehst.

copyright: Michèle Schons - © heartbreathing 2021