"der Pfad der heiligen Banane"
fühlst du dich gerade ein wenig unruhig oder müde, wenn du von der Arbeit nach Hause kommst?
Dann wäre eine Neuausrichtung der Wohnung nach Feng-Shui gewiss das Richtige, um unelegante negative Energien zu vermeiden...
Du könntest aber auch ein paar Edelsteine wie Amethyst, Rosenquarz oder Bergkristall zur Vitalisierung hinlegen, so kannst du die sieben Chakren stabilisieren...
Früher beschränkten sich esoterisch Engagierte damit, nachts eine buntgewebte Decke über den Fernseher zu werfen, "wegen der Strahlen". Heute kann man schon darüber diskutieren, ob es energetisch besonders wirkungsvolle Formen des Sellerieschneidens gibt, und jede Suppe kann, zumal in Zeiten von Healthy-Food, des ständigen Detoxens und Superfood-Geniessens, zur Grundlage einer reellen Debatte werden.
Die Suche nach dem eigenen Wohlbefinden beschäftigt den Menschen in der schnellebigen Welt immer mehr. Und der Markt von esoterischen und spirituellen Angeboten hat noch nie so geboomt wie heute.
Beide befassen sich mit der Frage nach dem Sinn des Lebens, der Unterschied ist aber der, dass die meisten Esoteriker nach Antworten in Amuletten, Tarotkarten, Edelsteinen, Engeln oder Channelings suchen und Spiritualität bedeutet eigentlich, sich mit dem Geist zu beschäftigen, ganz ohne fremde Erklärungsmodelle.
Aber ist denn der Unterschied jetzt wirklich so einfach?
Schauen wir mal genauer hin...
Der Überbegriff Esoterik ist zu einer Massenware geworden und damit in einen schlechten Ruf geraten. Esoterische Buchläden und Esoterikmessen gibt es zuhauf. Und immer mehr Menschen folgen einfach einem Trend oder machen sich abhängig von esoterischen Ritualen, Heilsteinen, Meistern und anderen aufgestiegenen Erleuchteten. Oft bleiben sie an dem hängen, was im Außen geschieht, ohne sich wirklich mit ihrem Inneren zu beschäftigen. Weisheiten aus Büchern oder Kursen werden dann anderen aufgedrängt, ohne sie im eigenen Herzen wirklich verstanden zu haben, geschweige denn zu leben.
Eike Wenzel, Gründer des Instituts für Trends und Zukunftsforschung, schätzt den Gesamtumsatz in der Esoterikbranche in Deutschland auf bis zu 20 Milliarden Euro.
Das ist das Vierfache der Fitnessbranche!
Für die Hoffnung, zu den Happy-Hippies, den "geistig mit sich im Reinen" Menschen zu gehören, ist nichts teuer genug.
Wer in dieser Situation, wie auch ich, zugibt, dass ihn das nervt, der wird sehr sicher mit der esoterischen Standard-Wohlfühlfrage konfrontiert:
”Was macht es mit dir und wie fühlst du dich dabei?”
Allein bei dieser Frage muss ich mich bezähmen, dass meine Hand sich nicht zur Faust ballt, aus der Tasche herausflutscht und zum Schlag ausnimmt.
Die Frage soll "Angenommen-Sein" und "Verstanden-Werden" ausdrücken, ist aber zugleich eine wirksame Blockadetechnik. Sie lässt nämlich jede Kritik ins Leere laufen.
Nirgendwo findest du mehr Menschen, die ein so paradoxes Selbstbild pflegen, als unter jenen, die sich selbst mit den Titel “Erleuchtet" oder "Lichtkrieger” schmücken.
Allein diese Bezeichnung offenbart bereits das grosse Ego: kein Krieger kann sich selbst oder die Welt in den Frieden führen. Ein Krieger kennt nur eines, nämlich Krieg! Nirgendwo sonst kommt es zu mehr Konkurrenzverhalten, Manipulation und Unterdrückung, als unter diesen “Kriegern des Lichts”, alles unter dem scheinheiligen Deckmäntelchen von “Licht & Liebe”.
Eine Szene, die relativ pathologisch erscheint. Sie bringt dann am Fließband hervor, was man “Esoterische Geisteskranke” nennt. Die meisten “Lichtkrieger” halten sich ausserdem noch für auserwählte Gurus, erhaben und überirdisch. Überall gibt es die, die es angeblich besser wissen.
Sorry, aber das ist weit entfernt von authentisch gelebter Spiritualität!
Was bedeutet es nun, spirituell zu leben?
Spiritualität kommt vom lateinischen "spiritus: Atem, Hauch oder Lebensatem, Geist" oder "spiro: ich atme" und bedeutet eine Hinwendung zum Wesentlichen, Transzendenten, Göttlichen oder Geistigen. Der Unterschied zwischen Esoterik und Spiritualität liegt darin, dass ein spiritueller Mensch auf Sinnsuche ist, ohne einer bestimmten Religion oder Glaubensgemeinschaft angehören zu müssen. Zu glauben, dass es mehr gibt als unsere bekannten Sinne, das heißt, den starren Glauben an Wissen aufzugeben.
Dazu gehört auch zugeben zu müssen, dass man nicht weiss!
Sich vorstellen können, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als die Wissenschaft beweisen kann, egal wie man es nennen möchte, ob "universelle Intelligenz" oder "höhere Macht".
Nach meinem persönlichen Gefühl bedeutet spirituell zu sein, einen offenen Geist zu haben und Entscheidungen mit unserem Bauchgefühl, d.h. unserer Intuition, und mit dem Herzen zu treffen. Denn wahre Spiritualität kommt aus dem Herzen, und nicht aus dem Verstand.
Wir können nur wachsen und reifen, wenn wir tief in unser Herz hineinfühlen. Es bedeutet auch, dass wir nicht blindlings irgendein Halbwissen akzeptieren, nur weil wir es irgendwann einmal gehört haben, oder weil es in Büchern steht.
Sich mit der geistigen Welt auseinanderzusetzen, bedeutet für mich, sich selbst und das eigene Handeln immer wieder kritisch zu hinterfragen, sich der eigenen blinden Flecken bewusst zu werden und kontinuierlich an sich zu arbeiten. Und wenn du das Gefühl hast, dass du auf irgend einem Gebiet Hilfe benötigst, dann höre in allererster Linie auf dein Herz.
Gehe nicht einfach zu jemandem, weil er dich dazu überredet oder dazu drängt, sondern nur wenn dein Herz danach ruft. Und mach alles in deinem Tempo, genau so, wie du dich dabei wohl fühlst. Wenn du in dich hinein hörst, wirst du das auch selber in dir spüren.
Es gehört echte Größe dazu, die eigenen Ängste und Schwächen in sich zu erkennen, seine Verletzlichkeit zuzugeben und Schicht für Schicht die Schaufenster-Version, die man von sich selbst erschaffen hat, abzulegen, und sich authentisch zu zeigen. Die Freiheit, in unserem Durcheinander, in unserer Exzentrik, in unserer Fehlbarkeit gesehen zu werden, schafft in jedem, den wir treffen, die Erlaubnis, ebenfalls alle Facetten von sich zu zeigen, von denen er glaubt, dass sie nicht willkommen sind. Und wenn das passiert, schießt das Vertrautheitsniveau durch die Decke und die darauf folgende Erleichterung, die sich durch jedes unserer zentralen Nervensysteme ausbreitet, ist spürbar.
Nur so entsteht wahre Intimität.
Dieser wunderbare, spielerische, oft verrückte Weg ist das, so lernte ich von meinem Lehrer Jamie, was man den "Pfad der heiligen Banane" nennt. Was passiert mit den anderen Früchten, wenn man sie in die Nähe der Banane legt? Sie reifen!
Und Spirituell zu leben heißt, an den Sinn eines JEDEN Lebens zu glauben.
Für manche aber, ist und bleibt das Universum eine Art esoterisches Amazon Prime, das mal hurtig einen schönen Abend liefern soll...
Dabei sollte man doch annehmen, dass das Universum Besseres zu tun hat!
copyright: Michèle Schons - © heartbreathing 2021